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Laufen - mein Leben
Gerd Müller aus Havelberg
   
   
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Hitzeschlacht
Die legendäre Hitzeschlacht am 3. Juli 2010 – Ich war dabei!


Das Jahr 2010 stand bisher für mich unter keinem guten Stern. Abbruch beim 12 Stunden-Lauf von Fröttstädt, Hungerast in Bad Frankenhausen – wie würde es weiter gehen.

Blase unter der Ferse beim Citylauf in Gotha „eingefangen“, was zu starken Behinderungen bei der zielstrebigen Vorbereitung des Saisonhöhepunktes führte.

Wie wollte ich denn da den  4. Thüringenultra über 100 km und 2150 Höhenmeter mit dem Start in Fröttstädt überstehen?

Da ich in der Vorbereitung manchmal schon nach 10 km starken Druckschmerz unter der Ferse hatte, zweifelte ich ganz stark an der Durchführbarkeit meines Planes.
Aber Aufhören mit dem Training hätte Verabschiedung von diesem Lauf bedeutet...und das wollte ich nicht. Also begann die Gratwanderung zwischen nötig und möglich. Dabei versuchte ich immer, bis an die Grenze des gerade noch Vernünftigen zu trainieren

Denn erstens wollte ich mir meinen 3. Stern holen und zweitens Ehre für den veranstaltenden Verein einlegen. Ich bin nämlich erst dieses Jahr Mitglied in diesem Verein geworden.
Früher wäre das auch nicht möglich gewesen, denn erst 2010 ist das Lauffeuer Fröttstädt richtiger eingetragener Sportverein geworden (ich glaube, das wissen gar nicht alle Läufer).

Während des Laufes bekam ich ganz spontan von anderen Läufern immer wieder Lob für die wieder klasse Vorbereitung – dabei hatte ich daran eigentlich gar nicht teilgehabt.
Ich habe aber diese Komplimente noch unterwegs an den „Vater des Laufes“, an Gunter Rothe weitergegeben.

Also, am Vorabend beim Abholen der Startunterlagen, wusste ich so gut wie nicht, wo ich stand und wie diese Sache ausgehen würde.
Ich fühlte mich unsicher. Würde meine Grundausdauer ausreichen? Wie würde sich meine Ferse verhalten. Die ehemalige Blase war zwar neuer Haut gewichen, doch war diese noch ziemlich jungfräulich und empfindlich.
Also legte ich als Vorsorge und wohl auch als Beruhigung nochmals ein Compeed Blasenpflaster auf.

Ich freute mich, in Fröttstädt einige von den „Streakrunnern“ zu treffen. Wir unterhielten uns eine ganze Weile über das, was uns am nächsten Tag erwarten würde.
Das Hauptthema war dabei natürlich das Wetter. Es sollte wieder über 30 Grad werden und dies würde und sollte diese Strapaze nicht einfacher machen!

Nach sehr wenig und unruhigem Schlaf (Wärme) trieb es mich um 2 Uhr aus dem Bett.
Leise machte ich mich fertig um meinen Fanclub (allen voran die kleine Leonie) nicht zu wecken, denn für sie würde dieser Tag auch lang und schwer werden.

In Fröttstädt traf ich meinen Radbegleiter Karl-Heinz Fabian. Er hatte sich mit 72 Jahren bereit erklärt, mich zu begleiten.
Ich wäre froh, wenn ich in 11 Jahren noch so fit wäre. Karl-Heinz, ich danke Dir!
Schnell gab ich ihm die weiße Laufmütze und für die letzten 15 km die Mütze mit Nackenschutz. Bis etwa km 30 lief ich mit Stirnband.
Diese Aufteilung bewährte sich sehr gut!

Kurz vor 4 Uhr stand ich an der Startlinie und nach einer Musik und einem Minifeuerwerk ging es auch schon los.

Relativ flott machte ich mich auf den Weg – bis km 24 mit einen Schnitt von 6:50/km).
Das klingt langsam, doch sind diese 24 km mit gewaltigen Anstiegen durchsetzt.
Etwa bei km 15 durchfuhr mich ein eisiger Schreck. Meine Ferse begann zu schmerzen!

Mein Geist schrie auf .....und jetzt noch schwere 85 km ??!!
Sofort meldete sich mein Verstand und sagte:  Bleibe ruhig, warte ab und beobachte!

An der Skihütte fragte Christine gleich: Was macht die Ferse?... und ich antwortete ganz gleichgültig: Sie tut weh, aber es geht!

Dabei war ich alles andere als gleichgültig, eher hochgradig nervös.

Ich konzentrierte mich aufs Laufen. Die einsetzende Wärme wurde zwar belastend, aber sie lenkte auch etwas von meinem Hauptproblem ab.

Als der Druckschmerz nicht nachließ und ich auch die ersten Schwächeanzeichen verspürte, war ich etwa bei km 30 fest entschlossen, in Floh Seligenthal das Rennen zu beenden.
Das konnte nicht funktionieren. Fußprobleme bei der noch zu erwartenden Hitze!

Was dann passierte kann man eigentlich nicht so richtig beschreiben. Unglaublich, was mir die nächsten 20 km so alles durch den Kopf ging. Es war ein zusätzlicher Kampf von
2 Seelen, die in dem Moment in mir waren und um die Vorherrschaft stritten!

Kurz vor Seligenthal war dieser Kampf beendet.

Das Argument, dass ich mich am Abend halb tot ärgern würde, wenn ich jetzt aufgab, gab den Ausschlag. Außerdem waren noch keine Anzeichen eines Schwächeanfalles zu spüren.
Also sagte ich zu Christine als ich ankam: Egal wie es ausgeht, aber wann ich aufhöre entscheide immer noch ich und nicht meine Ferse!

Allgemeines Gelächter, aber mir war es sehr ernst, denn ich ahnte, was ich mir noch antun wollte – denn jetzt ging es los!

Auf den folgenden Kilometern ging es nur noch nach oben. Im Vorjahr hatte ich mich beim „Hoch Wandern“ noch richtig erholen können. Diesmal klappte das nicht. Dafür war es einfach zu heiß!

So konnte ich also runter nach Tambach nicht meinen gewohnten Speed der 2 Vorjahre laufen, was allerdings auch mehr als vernünftig war, denn es wäre „selbstmörderisch“ gewesen!

Was mir bei km 60 durch den Kopf ging, möchte ich hier gar nicht niederschreiben. Dort passierten wir nämlich das erste mal an diesem Tag ein Freibad. Diesen „Genuss“ hatten wir nochmals bei km 74 in Finsterbergen!
Es gehörte sehr viel Willenskraft dazu, den Gedanken an ein kühlendes Bad auszublenden und stattdessen vorwärts zu hetzen in die wachsende Hitze hinein!

In Finsterbergen angekommen wieder ein reger Gedankenaustausch mit dem „Fanclub“.
Leonie winkte uns sagte laut und deutlich „OOOPAA“ – man, was tat das gut!
Christine  baute mich auf indem sie sagte: Ich staune, wie gut Du heute noch aussiehst!
Anja bemerkte lapidar: Jetzt geht es ja nur noch bergab – was für ein Irrtum!
Zu guter letzt bemerkte ich:  Jetzt wird es schwer, gebt mir meine Wüstenmütze.
Es kann noch ein langer Tag für Euch werden, denn egal wie lange es dauert, jetzt höre ich nicht mehr vor Fröttstädt auf!

Nachdem es erstmal etwa 2 km wieder ständig bergauf ging, wurde das Gelände dann tatsächlich leichter. In der Gegend von Friedrichroda konnte ich sehr große Strecken doch sogar wieder ein Tempo von 11 km/h laufen. Karl-Heinz las das von seinem Tacho ab und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Meine Ferse war zum Glück nicht schlimmer geworden, sondern hatte sogar nachgelassen.
Ich glaube aber eher, dass mein Gehirn dieses lästige Übel ausgeblendet hatte, weil es alle Reserven brauchte um die erforderliche Willenskraft aufrecht zu erhalten!

Ein dreifaches Hoch auf die Bürger von Tabarz. In der Gluthölle der letzten 14 Kilometer waren die aufgestellten Wasserbehälter mit Schwämmen sicher für manchen die letzte Rettung. Es schockte zwar, wenn das kalte Wasser auf den kochenden Körper auftraf, es belebte aber auch ungemein!

Die letzten 10 km ging mir nur noch durch den Kopf:  Ich will!!!
Ich malte mir den Zieleinlauf aus und wieder war es mir möglich, 1 km zu laufen.
Mehr ging nicht mehr und es musste eine Gehpause her.

Den letzten Schliff gab es bei km 95. Beim legendären Verpflegungspunkt  Die Gefühle die einen dort ergreifen kann man nicht schildern – man muß sie erleben!

Knapp einen Kilometer vor dem Ziel ein weiterer Schub – 2:0 für Deutschland (gegen Argentinien).

Die letzten 100 m konnte ich so wie jedes Jahr sogar noch „volle Pulle“ laufen und............
....genau mit dem Überlaufen der imaginären Ziellinie:  3:0 für Deutschland!

Wenn das kein krönender Abschluß dieser Quälerei war...!

Zusammenfassend kann ich sagen, dass es der härteste Lauf in meinen bisherigen 22 Laufjahren war und ich stolz bin, dabei gewesen zu sein, bei der legendären Hitzeschlacht von Fröttstädt.

Verdeutlichen soll es ein Zitat vom Sieger dieses Laufes (Frank Hardenack, in 8:36:39):

„Das Härteste, was ich je erlebt habe! Jeder, der das gepackt hat, ist eine Sensation für sich!“


Wie schwierig es war, verdeutlicht auch die Zahl der Ausfälle bzw. Aufgaben. 27 Läuferinnen und Läufer mussten der Hitze Tribut zollen.
Hut ab vor allen, die die Kraft aufbrachten, im richtigen Moment aufzuhören um Schlimmeres zu vermeiden!  Jeder, der so etwas schon gemacht hat weiß, dass man auch Kraft und Verstand braucht um aufzuhören!

2 Läuferinnen mussten wegen Kreislaufproblemen ins Krankenhaus gebracht werden und einige erlitten nach dem Zieleinlauf Schwächeanfälle. Doch waren alle schnell wieder auf der
Höhe. Es sind eben alles super trainierte Leute, die sich auf so eine Strapaze einlassen!

Für „normale“ Menschen völlig unverständlich aber trotz der durchlittenen Qual war der Grundtenor nach dem Ende der Veranstaltung:



„Fröttstädt 2011  -  wir sind dabei!!!



P.S.   Ich hatte recht mit dem „Ausblenden“ des Schmerzes, denn heute, nach 2 Tagen  
          kann ich mit der linken Ferse kaum auftreten! Doch das geht vorüber – ich bereue
          nichts!












 
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