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Laufen - mein Leben
Gerd Müller aus Havelberg
   
   
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Bernau....die Zweite!

24 Stunden Lauf........8./9.09.2012

 

Schneller als gedacht war es wieder Anfang September und wir waren unterwegs nach Havelberg - der Zwischenstation auf dem Weg nach Bernau.

Anja freute sich auch schon auf das Spektakel, das sie am nächsten Tag zu besichtigen gedachte. So viele Läufer, die sich an der Grenze der Leistungsfähigkeit dahinschleppten.

 

Auch ich wollte dazu gehören!

 

Am Samstag machte ich mich bereits 6 Uhr auf den Weg, denn ich wollte rechtzeitig da sein, um meinen Standplatz vom vorigen Jahr wieder zu ergattern. Direkt an der Strecke und bei Start und Ziel. Genauso klappte es auch.

 

Ich machte mich gleich auf zur Streckenbesichtigung, obwohl ich sie eigentlich vom Vorjahr genau kannte. Dieses mal nahm ich mir vor, den "Berg" so gut wie jede Runde zu gehen.

Der Zeitverlust ist gering - doch die Kraftersparnis enorm.

 

Etwa 100 m nach dem Start liegt eine sehr interessante Stelle. Links die hohe mittelalterliche Stadtmauer und rechts das Henkerhaus. Einen knapper Kilometer und ein paar Stunden später wird von links unten der im Nebel liegende Friedhof grüßen. Beinahe gruslige Stimmung!

 

Doch wenn es dann Nacht geworden ist, hat sicher keiner der Läufer mehr dafür einen Gedanken übrig! Da ist jeder mit sich ganz allein beschäftigt!

Auch ich hatte nicht mal den Nerv, um mir die Kopfhörer aufzusetzen und Musik oder mein Hörbuch zu hören.

 

Überhaupt ist so ein Lauf schon ein Wettkampf, aber ganz anders geartet. Der Wettstreit mit anderen Läufern steht völlig im Hintergrund und man steht fast nur im Wettkampf mit sich selbst.

 

Die Krafteinteilung ist so unglaublich schwer, daß wohl nur Leute mit langer Erfahrung, die sich und ihren Körper genau kennen, so gut wie alles richtig machen.

 

Dieses Jahr versuchte ich, die Fehler des Vorjahres nicht zu wiederholen. Einer war nicht mehr auszumerzen - das auch dieses Jahr zu geringe Umfangtraining. Etwas mehr wäre gut gewesen! Grund: Noch arbeite ich in Schichten. Jede 2. Woche 4 Nachtschichten am Stück - sehr belastend.

 

Aber ich vertraute wieder mal auf mein mentalen Fähigkeiten, die ich schon sehr oft bewiesen hatte.

 

Also, ich lief bedeutend langsamer an als 2011 und ging (nach Erledigung der 1,7 km Streak) den Berg in jeder Runde - die Gehstrecken waren aber in jeder Runde sehr verschieden und unterschiedlich lang. Allerdings gab es keine Runde, die ich komplett gegangen wäre. Denn je länger man geht, desto schwerer wird es, wieder zu laufen.

 

Trotz sehr diszipliniertem Laufen kam es aber zwischen Laufstunde 5 und 6 zu einer Krise, die man schon als mittelprächtig bezeichnen könnte!

Natürlich lief ich noch, doch es war schon der Wille gefragt. Trotzdem machte ich keine längere Pause. Nur zum Trinken und Essen nahm ich mir ein wenig Zeit ab und zu.

Eigentlich machte ich in meinen Augen so gut wie alles richtig! Ich bewies Geduld und wartete auf das Abklingen der Schwächephase. Alle meine Erfahrung sagte mir, daß dies der Fall sein würde.

 

So kam es auch. Als wäre nichts gewesen fing es plötzlich wieder an zu rollen. Ich mußte plötzlich wieder meine Disziplin bemühen, um nicht zu schnell zu werden.

Ich frage mich immer wieder, was da im Körper passiert. Eben noch völlig kaputt und plötzlich und während der Dauerbelastung wieder voll da!

 

Laufen über lange Distanzen und Zeiten ist eben wirklich in hohem Maße eine Kopfsache!

Die Fähigkeit, Krisen zu überlaufen ist eine Eigenschaft, die man haben muß, um so etwas überhaupt tun zu können.

 

Jetzt lief es und Christine sagte mir immer wieder am Handy, wie gut ich mich noch anhören würde. An der Stimme kann man schon einschätzen, wie sich ein Mensch fühlt! Wenn man ihn denn kennt.

 

Plötzlich wurde etwas und dann alles anders!!!

 

Wer sich schon mal einen Wolf gelaufen hat, weiß wovon ich spreche.

 

Ein paar Runden lang (wahrscheinlich zu lange) beobachtete ich und hoffte, daß sich die Sache von selbst wieder erledigen würde.

Das war natürlich ein Trugschluß! Hätte ich etwas eher eingecremt, wäre vielleicht alles anders gekommen. Vielleicht!

 

Gegen 2 Uhr nahm ich meine erste etwas längere Auszeit von ca. 20 Minuten. Ich zog trockene Unterhosen an und cremte die schmerzenden Stellen.

 

Nach dem erneuten Loslaufen freute ich mich, weil es besser zu gehen schien - doch leider!

Schnell verschwand die helfende Wirkung der Salbe und es wurde nicht besser, sondern immer schlimmer!

 

Ich stellte im Kopf eine Hochrechnung nach der anderen an - alle brachten das gleiche Ergebnis. Noch fast 11 Stunden mit zunehmenden Schmerzen und wund sein - unmöglich!

 

So legte ich für mich fest: "Unter 100 km gehst du hier nicht weg - was auch passiert"!

 

So quälte ich mich weiter - Runde um Runde - bis es dann so weit war.

 

Nach 14:50 h und gelaufenen 100,2 km gab ich meine Startnummer ab und 5:05 Uhr fuhr Ich "vom Hof"!

 

Ich bedauerte es unendlich, denn ich fühlte mich immer noch kräftemäßig auf der Höhe und vor allem lag ich meiner Meinung nach sehr gut im Rennen!

 

Die 140 km bis nach Havelberg machten mir gar nichts aus, obwohl starker Nebel war und am Mittag fuhr ich auch gleich noch von dort zurück nach Gotha. Hitze, viel Verkehr und einige Staus hielt ich problemlos aus.

 

Ich hatte scheinbar einen richtig guten Tag. Schade, daß es mir in Bernau nicht vergönnt war, dies umzusetzen.

 

Jetzt freue ich mich darauf, mich eine Woche intensiv erholen zu können. Heute Abend geht es ab nach Frankfurt, wo morgen um 4:45 Uhr hoffentlich unser Flugzeug zum Flug nach Rhodos abhebt.

 

Übrigens habe ich heute meinen Streak beendet. Laufen unter Schmerzen tue ich mir nicht an.

(ausgenommen der normale Nachbelastungsschmerz wie z.B. Muskelkater). Die "Wunden" sollen erst mal verheilen.

 

Gestern, am 2. Tag des Laufes hätte ich meinen Streak beinahe vergessen.  Silke gab mir gegen 0:30 Uhr den helfenden Hinweis.

Also lief ich eine Runde schnell komplett durch, was zu dieser Zeit noch problemlos möglich war!

 

Abschließend noch eine Bemerkung. Die 24 Stunden von Bernau sind eine sehr gelungene Laufveranstaltung mit einer sehr guten und auch anspruchsvollen Strecke für so eine Veranstaltung.

 

Eine gute Stimmung und ein sehr guter und ausdauernder Sprecher sorgen dafür, daß die Zeit schnell vergeht.

 

Ein klasse Publikum mit Sachverstand ist nahezu die ganze Zeit (bei Tag und Nacht) aktiv und feuert die Athleten an - leider nur ihre jeweils eigenen Staffelkameraden.

 

Manch einer der 6 und 24 Stunden Läufer hätte sich sicher auch über etwas Unterstützung und Beifall gefreut.......und diesen auch ganz bestimmt nötig gehabt!

 

Nachtrag:  Inzwischen liegt das offizielle Ergebnis vor und zeigt, was möglich

                  gewesen wäre, wenn ich die noch fehlenden 9 Stunden hätte

                  durchziehen können

           100,165 km in 14:50 Stunden / Gesamtplatz 29.(47) / AK 4.(5)

 

 

 

 

 

 

Gerd Müller

Gotha, 10.09.2012

 

 

 
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